Berliner Landgericht: Mietendeckel ist verfassungswidrig

Veröffentlicht am in Immobilien- und Mietrecht

Nach Ansicht des Berliner Landgerichts verstößt der Mietendeckel gegen die Verfassung. Das Land Berlin verfüge nicht über die entsprechende Gesetzgebungskompetenz, denn wo Bundesrecht gelte, könne das Land nichts regeln. Das Bundesverfassungsgericht muss diese Grundsatzfrage jetzt klären und entscheiden, ob das Gesetz zum Berliner Mietendeckel Bestand hat.

Im Rahmen eines Berufungsverfahren hat die 67. Zivilkammer des Berliner Landgerichts am 12. März beschlossen, das Gesetz zum Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüfen zu lassen. Das Land Berlin habe nicht die Kompetenz, ein Gesetz wie den Mietendeckel zu erlassen, daher sei er „formell verfassungswidrig“.

Auch das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium hält den Mietendeckel für verfassungswidrig. Der Senat dürfe keine derartigen Gesetze erlassen und verstoße damit gegen das Grundgesetz.

Kläger argumentierte mit Mietendeckel

Anlass zu dem Urteil des Berliner Landgerichts war ein Mieterhöhungsklageverfahren beim Amtsgericht Spandau: Das Gericht hatte einen Mieter verurteilt, einer Mieterhöhung von 895 auf 964,61 Euro ab dem 1. Juni 2019 zuzustimmen. Im Berufungsverfahren bezog sich der Kläger auf das inzwischen in Kraft getretene Mietendeckel-Gesetz, demzufolge Mieten in Berlin für die Dauer von fünf Jahren nicht erhöht werden dürfen. Die gesetzlichen Vorschriften des Mietendeckels sind jedoch laut Landgericht Berlin formell verfassungswidrig. Jetzt soll das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Verfassungsmäßigkeit entscheiden.

Der bundesweit bisher einmalige Mietendeckel war von der rot-rot-grünen Landesregierung beschlossen worden und Mitte Februar in Kraft getreten. Demnach werden die Berliner Mieten auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren und dürfen ab 2022 höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Das Gesetz soll für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Hauptstadt sorgen. Neubauwohnungen, die ab dem 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden, sind von dieser Regelung ausgenommen.

Eilantrag der Berliner Vermieter zuvor gescheitert

Im Februar waren Berliner Vermieter mit einem Eilantrag gegen den Berliner Mietendeckel gescheitert. Die Antragsteller wollten verhindern, dass Verletzungen von Auskunftspflichten und Verboten zur gesetzlichen Höchstmiete als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können. Doch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte zugunsten des Landes entschieden und den Antrag abgelehnt.

Die Begründung des Gerichts: Die Nachteile aus der vorläufigen Anwendung der Bußgeldvorschriften seien zwar von besonderem Gewicht, sollte sich das Gesetz als verfassungswidrig erweisen. „Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Bußgeldvorschriften außer Kraft träten, sich das Gesetz aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würde.“

Viele Vermieter würden sich ohne Bußgeldandrohung vermutlich nicht an die Regeln zur Erhebung der staatlich gekappten Mieten halten, so die Richter. Dadurch wäre das Gesetz ausgehöhlt, bevor überhaupt geklärt ist, ob es verfassungsgemäß ist. Den Vermietern drohe dagegen kein „irreparabler“ Schaden. Sie können weiterhin die nicht gedeckelte Miete nennen und auch erhöhen. Falls der Mietendeckel gegen die Verfassung verstößt, können sie die Differenz zur vollen Miete verlangen – und zwar auch rückwirkend.

Ausgang der Verfassungsbeschwerde offen

Die Karlsruher Richter betonen, dass sie mit diesem Beschluss kein Wort zur Kernfrage gesagt haben: Ob Berlins Mietendeckelgesetz gegen die Verfassung verstößt oder nicht. Diese Frage ist also nach wie vor völlig offen.

Die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde gegen den Mietendeckel ist nach Angaben der Karlsruher Richter weder „von vorneherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“. Ob das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungen zur Mietobergrenze besitzt, ist unklar: „Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines in Kraft getretenen Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen.“

Die Richter sehen in der Aussetzung des Gesetzes einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Wären sie dem Antrag der Vermieter gefolgt, hätten sie dazu tief in die Souveränität des Gesetzgebers in Berlin eingreifen müssen. Die 3. Kammer des Ersten Senats weist darauf hin, dass Vermieter ausreichend Zeit haben, sich mit den neuen Vorgaben vertraut zu machen. Durch Einhaltung der Regeln lassen sich die gefürchteten Bußgelder vermeiden.

Befürworter des Mietendeckels berufen sich auf Grundgesetz

Die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, teilte mit, dass diese Entscheidung für sie nicht überraschend kommt: „Wir gehen weiterhin davon aus, dass das vom Senat und dem Abgeordnetenhaus von Berlin erarbeitete Gesetz auch künftigen Überprüfungen im Wesentlichen standhalten wird“, so die Senatorin.

Die Befürworter des Mietendeckels sehen in dem Vorhaben ein Instrument öffentlich-rechtlicher Mietpreisregulierung, das sich auf den Kompetenztitel „Wohnungswesen“ aus Art. 70 Abs. 1 des Grundgesetzes stützt. Der Mietendeckel dient demnach dem Gemeinwohl und der Daseinsvorsorge. Damit erfülle das Gesetzesvorhaben eine andere Aufgabe als die Mietpreisbremse des Bundes und sei einem anderen Rechtsgebiet zuzuordnen.

Nach diesen beiden Gerichtsentscheiden ist jedenfalls noch vieles unklar. Sicher ist nur: Bis zum Grundsatzurteil aus Karlsruhe gilt der Mietendeckel.

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